Hiroshima

Nun geht es an den westlichsten Punkt unserer Japanreise, Hiroshima. Hier werden wir zwei Tage verbringen um einen wichtigen Punkt der aktuelleren Geschichte zu sehen und ein wenig den Flair aufzunehmen. Zugegeben, Meike und Jens sind nicht ganz unschuldig an der Wahl dieses Ziels. Ihr Blog hat uns nicht nur für die ganze Japanreise inspiriert, sondern hat uns auch dazu bewogen nach Hiroshima zu fahren.

Gestern wollten wir das Ganze ja noch in der richtigen Reihenfolge angehen, Stadt zuerst und dann das Umland, nun hat der Wetterbericht aber für morgen einen Vorgeschmack auf die Sintflut versprochen, sodass wir heute in der Früh schnell alle Pläne änderten um gleich nach Miyajima zu fahren, jene heilige Insel südlich von Hiroshima auf der noch älteres Kulturgut zu finden ist. Davor mussten wir allerdings noch unser lieb gewonnenes Hotel im Zentrum von Osaka verlassen um unser Gepäck an den Stadtrand in der Nähe des Bahnhofs Shin-Osaka zu bringen, denn nach zwei Tagen kommen wir wieder hierher zurück um Kyoto zu sehen, ein kleine budgettechnische Optimierung. Daraufhin sind wir durch den Bahnhof geirrt um unser Frühstück zu kaufen, Alina wieder mit ihrem Zettelchen und ich einfach in den nächsten Supermarkt. Mit vollen Taschen haben wir es geschafft um 10:00 Uhr den Zug nach Hiroshima zu nehmen und sind bei strahlendem Sonnenschein, mit einem Zug namens Sakura (Kirschblüte, somit hat Alina auch heute noch eine gefunden) entlang der Küste des japanischen Inlandmeers gefahren.

In Hiroshima haben wir gleich den Regionalzug nach Miyajimaguchi genommen von wo die Fähre nach Miyajima ablegt. Dort haben wir unser Gepäck im Schließfach verstaut und sind direkt auf die Fähre spaziert, die 2 Minuten später den Weg zu einer der 3 fotografierenswertesten Sehenswürdigkeiten Japans nahm. Als wir gegen Mittag bei strahlendem Sonnenschein und frühlingshaften 20 Grad ankamen, haben wir auch die ersten heiligen Rehe gesehen, die zwei arme Männer belästigt haben weshalb diese mit ihren Papiertaschen die Flucht ergreifen mussten. Zu dem Zeitpunkt erschien uns die Szene noch sehr lustig, solange wir nur beobachtend daneben standen.

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Kurz darauf kamen drei Schulmädchen zielgerichtet auf uns zu und begrüßten uns auf englisch, da wir den Fehler machten stehen zu bleiben holten sie sofort ihre Bücher raus und fragten uns wie wir heißen, dann erzählte uns jede ihren Namen und forderten uns auf die Region Izumi aus der sie kommen zu besuchen. Letztlich bekamen wir noch einen Prospekt über die Region und durften weiter gehen. Der Prospekt sollte uns auf den nächsten hundert Metern als Beweis dienen unsere Englisch Lektion schon erfolgreich abgeschlossen zu haben, denn nach den drei Mädchen kamen noch 200 andere Schulkinder auf der Suche nach unschuldigen Touristen vorbei.

Nachdem wir mit unserem Alibiprospekt über Izumi alle anderen Kinder beiseite gefegt haben, konnten wir uns beim 5ten Geschäft das Momiji Manju verkaufte nicht mehr zurückhalten und haben auch solche ahornförmige Süßwaren mit verschiedenen Füllungen gekauft, mein Liebling ist ja meist Grüntee aber hier waren auch die roten Bohnen und die dunkle Schokolade hervorragend. Dieses Ahornmotiv findet sich dann auch als Ortswahrzeichen und in Souvenirläden. Danach ging es vorbei am größten Reislöffel der Welt, oder so, vermutlich nur um diesen in klein an Touristen verhökern zu können.

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Weiter ging es gestärkt zum Ohtorii, dem floating Torii, allerdings bei Ebbe, was ihn nicht mehr schweben ließ dafür aber die Möglichkeit bot ihn zu berühren. Für schöne Fotos wie es wirklich aussehen soll verweise ich einfach auf den Blog von Jens, da steht sonst auch viel Interessantes drinnen (www.travellingdevil.de).

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Gleich hinter dem Torii befindet sich ein Tempelkomplex, der Itsukushima-Schrein, in dem in den 30 Minuten in denen wir dort waren gleich zwei Hochzeitsgesellschaften für Fotos posierten. Interessant war auch zu sehen, dass es vor dem Tempel nicht nur wie üblich Sake Fässer gab sondern auch Kartons mit Sojasoße.

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Von dort auf einem kleinen Hügel gab es noch die Senjo-kaku Hall, eine alte, sehr roh wirkende Halle mit Säulen und schönem Holzboden, ohne Außenwände, die aus riesigen Baumstämmen errichtet wurde und einige Bilder und Altäre bereitstellt. Ihr gegenüber stand eine 5 stöckige Pagode, die im Vergleich dazu ziemlich super und grazil war.

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Nach so viel Kultur stärkten wir uns erneut am Fuße des Mount Misen, hier wurden wir jedoch zum ersten Mal Opfer einer Rehattacke, Details dazu wird das Opfer selbst beschreiben. Ich konnte mir auch da ein Lachen nicht verkneifen, Alina war aber „not amused“, hier das corpus delicti und der Täter.

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Die Taho-to Pagode war eine kleine auf einem Hügel gelegene Pagode ohne einen einzigen Besucher, nach dem Trubel der 50 Meter entfernt herrschte ein richtiges Wunder. Hier trennten sich unsere Wege und Alina machte sich auf die Suche nach der Seilbahn während ich zum Daisho-in, einen buddhistischen Shingon Tempel, spazierte und von dort den direkten Weg auf den Mount Misen, dem höchster Berg der Insel mit 530 Meter, nahm. Der Weg war super gut mit größtenteils Treppen, wenigen Skulpturen und Schreinen, sowie alten Markierungssteinen.

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Kurz vor dem Gipfel gab es den Kienzu-no-Reikado Tempel mit dem ewigen Feuer das hier bereits 1200 Jahren brennt, seit Kobo Daishi hier seine 100 Tage meditierte. Hier haben wir uns auch wieder getroffen um gemeinsam den Gipfel zu erstürmen.

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Auf dem Weg zum Gipfel wurden wir allerdings nach 50 Meter gestoppt, da beim nächsten Tempel, dem Sankido, Mönche beteten und trommelten und damit eine faszinierende Stimmung verbreiteten. Als wir damit auch die spirituelle Grundstimmung für den Weg zum Gipfel mitgenommen haben, waren wir recht schnell dort angelangt. Neben einigen malerisch angeordneten Felsblöcken befindet sich oben noch eine schöne Holzplattform, die einen super Rundblick über das Meer, die Inseln, die Austernzüchtungen, Hiroshima und Shikoku gewährt.

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Nachdem wir uns satt gesehen hatten, spazierten wir zur Bergstation der Seilbahn mit Aussichtsplattform (die den hochtrabenden Namen Shishiiwa Observatory trug). Alina fuhr dann um ihr Knie zu schonen wieder hinunter, während ich den kurzen Rückweg durch den ganz besonderen, so sagen die Schilder, Urwald der Insel nahm. Gemeinsam spazierten wir durch den Momijidani Park wieder zurück in die Zivilisation zu den ganzen anderen Touristen. Im Park waren wieder jede Menge Rehe die sich teilweise sogar Müll aus den „gesicherten“ Mülltonnen holten und fein säuberlich auseinander nahmen. Wenn die nicht heilig wären, hätte ich ihnen ja meine Meinung dazu gesagt aber so… Eigentlich war unser Plan ja bis in die Nacht zu warten um wieder eines dieser sagenumwobenen Nachtfotos zu machen, leider kühlte es aber so schnell ab, daß selbst das Miyajima Pale Ale und Lemon Ramune uns nicht lang genug halten konnten. Als wir dann nur mit knapper Not einer weiteren Rehattacke entkommen sind, wobei diesmal mein Bier auf den Spiel stand und da verging sogar mir das Lachen, haben wir den Rückzug nach Hiroshima angetreten.

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Hier hatten wir uns die Aufgabe gemacht auch die lokalen Hiroshima Okonomiyaki zu kosten, dazu haben wir uns Okonomiyaki Mura, ein dreistöckiges Gebäude in dem sich auf jedem Stock mehrere Restaurants dafür befinden, ausgesucht. Wir fanden sogar eines an dem ein Zettel hing der Vegetarier explizit willkommen heißt, somit war die Wahl eine leichte. An der Theke kann man genau verfolgen wie die Zutaten der Reihe nach zu einem köstlichen Ganzen verschmelzen. Diesmal waren wir restlos begeistert und überzeugt, dass es zurecht eine Spezialität ist. Satt und damit glücklich ging es ins Bettchen.

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Am zweiten Tag in Hiroshima hat der Wetterbericht Wort gehalten und es regnete wirklich von früh bis spät in Strömen, soweit ich mich erinnere ist uns sowas seit langem schon nicht mehr passiert. Wir hofften ja, dass es gegen Nachmittag besser wird und sind deshalb am Vormittag nach Saijo gefahren, das ist ein kleiner Ort ungefähr eine halbe Stunde von Hiroshima entfernt, der 9 Sake Brauereien beheimatet und sich damit zur Sake Hauptstadt Japans gekürt hat. 7 davon sind fußläufig vom Bahnhof erreichbar und alle sollen laut Reiseführer und englischer Homepage ein Museum oder eine Ausstellung beherbergen. Zunächst mal war der Regen leider auch in Saijo zu finden, das war aber nicht überraschend, weitaus ungewöhnlicher war, dass die Touristeninformation nicht zu finden war, wo sie sein sollte war nur ein Schild das weiter zeigte und dort war nichts, naja halb so schlimm in der ganzen Stadt sind Schilder und Pläne mit allen Brauereien also sind wir halt so von einer zur anderen spaziert, wir wurden immer nasser und fanden genau eine einzige offene Tür vor. Also nichts wie hinein, dort gab es ein paar alte Sake Fässer und viele neue Flaschen in einem Raum, wir hätten auch kosten können, das war mir aber um 10 Uhr doch noch zu früh. Somit mussten wir das Ganze wohl als Niederlage verbuchen und wieder Richtung Hiroshima fahren. Vor der Abfahrt haben wir uns noch eine Auswahl an kleinen Sake Fläschchen gekauft, die wir dann in den nächsten Abenden verkosten wollten.

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Von hier fuhren wir direkt in das Hiroshima Peace Memorial Museum, ein Museum, das den Abwurf der ersten Atombombe und die Folgen dokumentiert. Hier fanden sich berührende Bilder und Exponate, bei uns herrschte nach kurzer Zeit Sprachlosigkeit und Trauer. Krieg und das damit verbundene menschliche Leid sind schrecklich, leider wiederholt sich das fast jeden Tag irgendwo auf der Erde. Am Ende konnten wir noch gemeinsam mit einer freiwilligen japanischen Dame einen Papierkranich falten, ich denke das ist die psychologische Betreuung für besonders mitgenommen aussehende Besucher.

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Als wir dann so mit unseren Gedanken im strömenden Regen standen, beschlossen wir einen Kontrapunkt zu setzen und uns noch die einzige Bibliothek Japans anzusehen die ausschließlich Mangas (japanische Comics) führt. Mangas gibt es in Japan regelmäßig seit Anfang des 19. Jahrhunderts, zunächst ähnlich wie in Europa als politische Satire, später als Unterhaltung und fester Bestandteil der Kultur, 1980 waren ein Viertel des gesamten japanischen Druckwerks Mangas. Wir konnten hier unterschiedliche Mangas seit Beginn des 20. Jahrhunderts ansehen und im fremdsprachigen Bereich sogar einige lesen. Dort fanden wir auch ein mehrbändiges Werk aus den 50er Jahren über das Leben in Hiroshima vor, während und nach der Bombe.

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Somit verließen wir die Bibliothek als sie sperrte mit nicht viel sonnigeren Gedanken und spazierten durch den Regen zu unserem Abendmahl, genau, Hiroshima Okonomiyaki die Zweite. Die Bezeichnung „Soul food“ die Alina im Reiseführer gefunden hat trifft es recht gut, wir gingen dann ins Hotel zurück und waren irgendwie niedergeschlagen, hatten aber mit dem Essen eine gewisse körperliche Zufriedenheit, dazu kamen dann noch die erste Verkostungen von Sake und eine gute Nacht. Sake zu brauen wäre sicher auch spannend, mal sehen ob sich noch ein richtiges Sake Museum oder gar eine Brauerei mit Führung findet.

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