Takuminosato

Gestern verließen wir Tokyo und zwar Richtung Berge, dort soll es nämlich kühler sein (-1 bis 6°) und wir wollen die Chance nutzen alles was wir an Kleidung mit haben gleichzeitig anzuziehen, bzw. befürchten wir das zumindest.

In der Früh gab es das längste bisherige Frühstück, wir konnten entspannt essen und Zeitung lesen, echt wie Urlaub. Nach dem Auschecken haben wir noch einen Teil unseres Gepäcks nach Osaka schicken lassen, wo es hoffentlich in 4 Tagen auf uns warten wird. Der Rest der Japanreise sollte ernährungstechnisch einfacher werden, da wir uns im Hotel einen Zettel schreiben ließen auf dem steht, daß wir Vegetarier sind und auch Fisch, Fischsuppe, Fischflocken usw nicht essen.

Eine Busfahrt später waren wir am Tokyo Bahnhof und suchten unseren Shinkansen, das ist bei der Größe des Bahnhofs gar nicht so einfach. Die Fahrt nach Jomo Kogen war schnell und entspannt, dort angekommen haben wir gerade noch den Bus nach Takuminosato erwischt, der nächste wäre nämlich zwei Stunden später gefahren.

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Zu Takuminosato: es ist ein Dorf mit ca. 300 Einwohnern das für Tokyoter ein Tagesausflugsziel ist, wo man verschiedene traditionelle Handwerke in einstündige Workshops ausprobieren kann. Wir hatten befürchtet, dass vieles schon ausgebucht ist deshalb sind wir unter der Woche hingefahren.
Zuerst haben wir die Informationsstelle aufgesucht um eine Karte mit den verschiedenen Workshops zu holen. Danach spazierten wir durch die verdächtig leeren Straßen, und zwar für den Rest des Tages. Nachdem so gut wie bei allen Häuser nicht (für uns) unterscheidbar war ob es sich um Privathäuser oder für die Öffentlichkeit zugängliche handelte und unsere Karte nicht sehr hilfreich war irrten wir eine Zeitlang herum, holten dann bei der Informationsstelle, wo übrigens kein Englisch gesprochen wird, noch eine japanische Karte dazu und versuchten weiter damit irgendwas zu finden.

Ergebnis des Tages: zuerst haben wir einen Sobanudellokal entdeckt, die Soba war allerdings schon aus und alles andere was sie hatten war nicht vegetarisch. Workshops haben die auch nicht angeboten, wir durften aber ihre Katze streicheln also haben wir das als Erfolg gebucht. Danach haben wir eine Konditorei entdeckt die traditionelle japanische Süßigkeiten hatte, außerdem einen warmen Schokokuchen, der war besonders lecker.
Weiters haben wir circa 5 Runden im Takuminosato gedreht, haben dabei noch ein Restaurant entdeckt und ausprobiert. Das war recht lustig, da wir hier zum ersten Mal unseren Vegetarierzettel hergezeigt haben.
Das hat zu Verwirrtheit unter Restaurantbesitzer und -gäste zugleich geführt, nach viel Diskussion unter allen Anwesenden wurden uns die 3 vegetarischen Optionen auf der Karte gezeigt: Gemüsetempura, Reisstärkebällchen am Spieß und Konjaku, letzteres wird aus der Wurzel von Tränenbäumen gemacht und erinnert stark an Gelatine. Wir haben natürlich alles ausprobieren wollen, die Tempura war lecker, die Bällchen waren mit einer recht eigenartigen süßen Soße übergossen die uns nicht begeistert hat und das Konjaku… wir wissen jetzt, warum es auch als Scherzartikel verkauft wird und es die Japaner nicht gerne in ihrem Essen finden. Dabei wurden wir von den anderen Gästen die ganze Zeit beim Essen beobachtet und wir mussten immer wieder bestätigen wie gut das schmeckt. Ein Gast insbesondere hat immer wieder versucht mit uns zu reden und uns was zu unserem Essen zu erzählen, leider vergeblich weil wir kein einziges Wort verstanden haben. Je weniger wir verstanden haben desto mehr Wörter hat er aber benutzt und desto angeregter hat er gestikuliert bis wir den Dreh raus hatten: lächeln, nicken und hin und wieder (wenn er besonders eindringlich auf was gezeigt hat) „oohhh“, „achso“ und ähnliches von uns geben. Ich weiß nicht wer nach dem Gespräch frustrierter war, er oder wir.
Ich möchte an der Stelle drauf hinweisen, dass wir nicht gezielt nach Essen gesucht haben, die Restaurants waren nur am einfachsten von den Privathäuser zu unterscheiden.

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Einige Workshops haben wir aber immerhin identifizieren können, außer demjenigen wo man Tücher färben kann, die meisten davon wollten wir gar nicht machen, die anderen hatten zu obwohl die theoretisch offen sein sollten. Nachdem wir an einigen Felder, Katzen und einem Esel vorbeispaziert sind und sicher alle Kirschbäume fotografiert haben wurden wir fündig: ein Haus das definitiv nach Workshop ausschaut, mit einer lieben älteren Dame drin die uns reingewunken hat. Später haben wir das als „the Bell House“ identifiziert, die Besitzerin ist eine Künstlerin die Tonglocken macht und bemalt. Sie hat einige Wörter auf Englisch gesprochen, aber ihr Englisch und unser Japanisch haben nicht wirklich zum Kommunizieren gereicht. Wir glauben verstanden zu haben, dass sie den Workshop eigentlich nur für Schulklassen anbietet, sie uns aber eine Glocke als Geschenk mitgeben möchte, das konnten wir ihr auch nicht mehr ausreden.

Außer der Hauptstraße wo auf beiden Seiten Häuser waren haben die meisten anderen Straßen an Feldern vorbeigeführt, inklusive der auf unserem Plan als touristisch wertvoll angezeichneten. Nachdem wir uns vergewissert haben, dass wir keinen der offenen Workshops machen wollen haben wir uns entschieden zu unserer Unterkunft zu spazieren, weil die nur 3km entfernt von Takuminosato ist und wir nichts besseres zu tun hatten, außerdem hofften wir dort ein Restaurant fürs Abendessen zu finden.

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Die Unterkunft ist ein typisch japanisches Haus wo wir scheinbar die einzigen Gäste waren und bietet: einen typisch japanischen Raum mit Tatami (Strohmatten) Boden, Futons (Matratzen auf dem Boden) und Kotatsu (ein Tisch mit eingebauter Heizung und Decke), ein japanisches WC und außerdem ein Onsen (ein japanisches Bad). Wir waren auf beides neugierig und sind froh über die Möglichkeit, es ausprobiert zu haben, auch wenn wir uns nicht ein Haus nach japanischem Beispiel bauen würden: diese sind nämlich ziemlich kalt und absolut frei von jeder Isolierung, sprich es hatte in der Früh ca. 10°C in unserem Zimmer. Der Kotatsu ist super, wir haben die 3 Schichten Oberbekleidung anbehalten aber die Beine hatten es schön warm.

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Der Onsen war leer, wir konnten also unseren ersten Versuch unbeobachtet machen. Die Japaner lieben ja das Baden und haben es zu einer Kunst gemacht, die im Grunde darauf hinausläuft: man duscht zuerst und schaut, dass man sich von Kopf bis Fuß sauber schrubbt, danach darf man ins Bad das nur noch der Entspannung und der sozialen Interaktion dient. Deswegen ist das Wasser auch sehr heiß, wir haben es beide nicht sehr lange ausgehalten, waren aber froh dem sozialen Teil entkommen zu sein. Das Bad ist übrigens nach Geschlechter getrennt, die Damenseite war deutlich hübscher.

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Entgegen unserer Erwartung gibt es in der Nähe unserer Unterkunft kein Restaurant, kein Supermarkt und kein 7-Eleven also haben wir das Knabberzeug das wir mithatten als Abendessen gegessen.

Tag 2:
Heute war der zweite Tag im Takuminosato, der begann mit einem gemütlichen Spaziergang vom Hotel zum Dorf, vorbei an einem Stausee an dessen Ufer viele Kirschbäume blühen. Gefrühstückt haben wir in der gestrigen Konditorei, der Schokokuchen war dafür ideal.

Danach durften wir unseren ersten (und einzigen) Erfolg feiern: eines der Häuser die gestern zu hatten war diesmal offen und wir konnten lernen wie man Soba Nudeln macht. Es ist nicht besonders schwierig, Mehl und Wasser werden dafür zusammen gerührt und geknetet, dann ausgerollt und geschnitten. Allerdings wurde mit Stäbchen gemischt, das Kneten erfolgt in 3 Schritten mit unterschiedlichen Handbewegungen und das Messer ist groß, scharf und schaut sehr gefährlich aus. Nachdem wir alle Schritte unter viel Lob von unserer Lehrerin geschafft haben („ihr seid ja sehr geschickt“) durften wir im dazugehörigen Restaurant unsere selbstgemachten Sobanudeln essen, dazu haben wir eine Gemüsetempura bestellt. Die Atmosphäre war sehr nett und das Essen lecker auch wenn wir überrascht waren, dass die Nudeln kalt serviert wurden. Dank eines vor kurzem angeschauten Youtube Videos wussten wir zum Glück auch, wie man das Ganze isst und haben uns nicht blamiert, was unsere Gastgeberin sehr glücklich gemacht hat. Nach dem Zahlen und Bedanken fürs Essen bekamen wir einen Trinkjoghurt als Geschenk mit auf den Weg, die Leute hier sind fast zu nett.

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Beflügelt von unserem Erfolg haben wir den nächsten Workshop gesucht und das Washi Haus gefunden wo man traditionelles japanisches Papier machen kann. Der Besitzer sprach Deutsch weil er 5 Jahre in Deutschland studiert hat also konnte er uns leicht erklären, dass wir den Workshop nicht machen können weil er uns das Ergebnis in 3 Wochen nachschicken muss, so lange dauert nämlich das Trocknen des Papiers. Er hat aber hinzugefügt, wir können es trotzdem ausprobieren, zahlen aber nichts dafür. Das Ausprobieren hat 5 Minuten gedauert, dazu haben wir noch ein bisschen mit ihm geplaudert und ihm einige Blätter fertiges Papier abgekauft. Er hat uns außerdem auf unsere Frage hin verraten, dass es das Indigo Haus wo man Tücher färben kann nicht mehr gibt, was unsere erfolglose Suche erklärt.

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Eine Entdeckung haben wir heute noch gemacht: heiße Getränkeautomaten! Ich hatte schon davon gehört, also war ich auch überglücklich einen heißen Grüntee bei einem Automaten zu bekommen.

Nach 1,3 erfolgreichen Workshops wollten wir unser Glück nutzen und in den übernächsten Ort spazieren, auf Google Maps schaut der nämlich vielversprechend aus. Wir nahmen den Weg am Stausee entlang und genossen die Natur und den gut eingerichteten Weg. Der Ort war aber enttäuschend, wir konnten wirklich nichts zum Essen finden. Anscheinend ist das einzige in der Nähe Takuminosato, und dort hatten wir unsere Optionen schon ausgeschöpft. Der Spaziergang war trotzdem schön, wir nahmen aber am Weg zurück den Bus um kostbare Kalorien zu sparen. Das war unser Glück denn bei unserer Unterkunft angekommen begann es zu regnen.

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Nach Süßigkeiten zum Abendessen und Entspannen im Onsen während das Prasseln des Regens auf den Fenstern zu hören war gehen wir jetzt schlafen, denn morgen geht es wieder weg aus der Gegend.

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